Dienstag, 2. November 2010

tedesco - portoguese - persiano - irano - italiano - inglese

Den Mittwoch beschäftige ich mich den ganzen Tag damit rote Kapuzen mit Umhang für Mönchskostüme zu nähen. Die hatten Marina und ich am...
Montag mit den dazugehörigen Roben zugeschnitten. Sie scheint wie immer sehr hektisch zu sein, wahrscheinlich sollen die Sachen noch diese Woche raus. Da springt auch immer so eine spitznäsige Frau bei uns rum, die auf Französisch telefoniert und mit Stefano Zeichnungen und Stoffkombinationen bespricht. Wahrscheinlich eine Kostümdesignerin oder so. Am Nachmittag winkt mich Stiven zu sich und spricht leise mit mir. Wer denn der Typ letzte Woche gewesen sei, der mich da besucht hätte. Ich muss kurz überlegen, kann ja nur der Eric gewesen sein. Ob das mein Freund wäre – nein. Woher der kommt – aus Ghana. Ob der größer als ich wäre – nein. Ob der hetero oder homo wäre – wie bitte? Soso, sind die Italiener doch nicht so verknöchert, wie angenommen. Stiven, findet’s schade, wo er doch so auf große Schwarze steht. Naja, eine Info, die er gerne für sich hätte behalten können. Nach Arbeitsschluss mach ich mich direkt auf den Weg nach Panorama, einem Gewerbepark mit Supermärkten. Dort gibt es so was wie ein Kaufland. Nach nun mittlerweile vier Wochen in Italien, merkt man dass es schon ein wenig teurer ist. Circa 10% auf alles drauf, Sonderangebote gibt es nur selten. In Panorama finde ich eine Packung Schinken für 2€ mit ungefähr 8 Scheiben. Das ist das Billigste was ich finden konnte innerhalb der winzigen Auswahl an abgepackter Wurst. Fleisch kauft man generell an der Theke. Doof, denke ich. Aber zu Hause merke ich warum. Meine „billige“ 2€ Wurst schmeckt noch besser als das was sie uns in Deutschland als Cerano Schinken verkaufen wollen. Da will ich gar nicht wissen, wie geil das Zeug von der Theke schmecken muss. Genauso der Käse, den ich gekauft habe. Unser extrem duftender „Knirps“ Käse ist eine Witz gegen das was mir hier entgegen duftet. Der Abend klingt wie so oft am Tisch beim gemeinsamen Essen aus. Zum Schluss sitzen Madlen und ich noch da und lernen Italienisch. Sie bekommt von ihrer Chefin mittlerweile eine Stunde Unterricht pro Tag mit Aufgabenstellungen und ich habe mir vorgenommen auf Italienisch eine Anleitung zu schreiben wie man ein T-Shirt näht.
Am Donnerstag kommen wieder Änderungen von einem Fitting rein, die flott flott gemacht werden sollen. Bis um drei beeile ich mich, dass alles noch halbwegs fertig wird. Dann geht’s los nach Hause weil dort das Treffen mit Coges stattfindet. Björn ist der Chefkoch, wir seine Gehilfen.



Halb acht hat sich unser Besuch in Form von Eleonora, der Gruppenbeauftragten; Floriana, die Verantwortliche für unsere Praktika und Antonio, dem Chef mit seinen zwei Kindern, zusammengefunden. Die Jungs sind den halben Tag durch die Stadt gefahren um alle Zutaten zu finden, die gebraucht werden, denn Björn hat vor groß aufzutischen. Als Primo Piatto (erster Teil der Hauptspeise) gibt es Spinatspätzle mit Speckwürfelchen in Butter geschwenkt. Danach als Secondo Piatto (zweiter Teil der Hauptspeise) gibt es Saltinbocca. Das sind zusammengeklappte Filetfleischstücke mit einem Salbeiblatt dazwischen, umwickelt mit einer Scheibe rotem Schinken. Super geil! Dazu gibt es eine Pilz – Zwiebel – Weißwein – hastenichtgesehen Soße und kleine Kartoffelbällchen in Butter geschwenkt. Die Nachspeise krönt das Ganze mit geschälten Birnenhälften in einer warmen Rotwein – Zimtsoße mit einem Löffel Pistazienschokoeis. Wir Kochanfänger haben getan was wir konnten und Tatsache – alles ist essbar und so lecker wie es sich anhört. Unsere Italienischen kommen gegen jegliche Erwartung sogar pünktlich. Fast jedenfalls. Antonio steht zwar schon 10 Minuten zu früh in der Tür aber nur um uns zu sagen, dass er nun noch seine Kinder abholt. Im Hausflur wird er aufgehalten weil plötzlich zwei ältere Nachbarinnen neugierig geworden sind. Wer sind denn die Mädchen da und was machen hier. Grinsend stecken wir unsere Nasen aus der Tür und können den groben Kontext verstehen. Er erklärt ihnen das Programm und was wir alle so beruflich machen. Wie das bei Italienern so ist, zieht sich das Gespräch. Bis er endlich wiederkommt nachdem er seine Kinder abholt, vergeht noch eine Stunde. Wir haben schon fast angefangen zu essen, da trudelt er mit seinen goldigen Töchtern ein. Die eine sechs, die andere drei Jahre alt. Die sind natürlich anfangs sehr schüchtern und wissen nicht so recht wohin mit sich in unsere überfüllten Küche. Dann wird aufgetischt. Eng an eng sitzen wir zusammen und versuchen auf Italienisch / Englisch / Deutsch uns gegenseitig zu übertönen. Ach, so richtig schön Italienisch – alles plappert und isst. Die Mädchen kichern und flüstern ihrem Papa Sachen ins Ohr. Zwischen Hauptgang und Desert geben wir Mädchen nun unsere einstudierte Performance zum Besten. Am Vorabend und beim Kochen haben wir noch mal fleißig die zwei Lieder geübt und siehe da, ohne Fehler geht alles glatt über die Bühne. Unsere Gäste sind begeistert. Während dem Dessert fangen die zwei Töchter an zu malen und Gaja, die ältere hat Tabea eine Gitarre und eine Geige gemalt. Wie süß, ich frage sie, ob sie mir eine Schere malen kann. Ihre Augen glänzen, da fragen die großen Mädchen aus dem fernen Land mit der komischen Sprache ob sie was malen kann. Fleißig pinselt sie drauf los. Jenny bekommt ein Fernseher mit der Hochzeit von Prinz und Prinzessin gezeichnet, Björn eine Kochmütze und Eric ein Bild mit seinen lustigen kleinen Löckchen. Zum Schluss wollen sie gar nicht mehr gehen, aber Papa lässt nicht locker. Was für ein Abend. Gemeinsam stemmen wir den riesigen Abwasch und legen uns kugelrund in unsere Betten.
Am Freitagmorgen treffe ich Mohammad auf dem Weg zur Arbeit und frage ihn wann wir denn nun Ali besuchen gehen können. Ali war einer seiner Freunde von unseren Reggaeabenteuer, der in Venedig wohnt. Na klar, heute Abend, abgemacht. Auf Arbeit kann ich heute mit Claudia und Evelyn Reifröcke machen. Cool, in Deutschland hatte ich sogar schon einen in der Hand, kurz davor zu kaufen. Mit der kleinen Portugiesin gehe ich in die Mittagspause und genieße die Sonne. Ich steh draußen im Langarmshirt, sie in der Winterjacke. Oh Gott, wäre das kalt hier. Ich muss lachen und meine, das hier wäre das Wetter, was wir in Deutschland zum August hätten. Ihr fallen fast die Augen raus. Ihre Freunde in Portugal würden heute wieder zum Strand gehen. Man man man, ich lebe im falschen Land. Omar, der andere Italienische Praktikant hört uns, Claudia, Evi und mir interessiert zu, wie wir uns beraten. Ach, er würde Deutsch so schön finden. Die anderen sagen das auch. Sie verstehen zwar kein Wort, aber es klingt so schön. Das gleiche sage ich über Italienisch, hehe.



Evelin mit ihrem Aufzeichnungen
Angela, die portugiesische Praktikantin
Zu Hause bin heute dran mit kochen. Es gibt mal was Deutsches, nämlich Sauerkraut, Kartoffeln und Würstchen. Natürlich gute Italienische Salsicca – ein Fest. Nur zu dumm das keiner kommt. Irgendwann kommt Tabea heim, die hat aber keinen richtigen Hunger. Jeder eine Miniportion, so haben wir für später was. Mit ihr mache ich mich wenig später auf den Weg um Mohammad am Piazzale di Roma zu treffen. Dort wartet auch schon Ali und zu viert machen wir uns auf den Weg um Bier zu kaufen. Sein Zuhause können wir heute leider nicht anschauen weil es einer Mitbewohnerin nicht gut geht. An der kleinen Pizzeria angekommen, geht nur Ali herein. Wir sollen warten. Aber wieso? Ach ja, hier bezahlen ja die Männer. So kommt Ali wenig später wieder heraus mit 4 Flaschen Bier und 4 Plastikbechern. Tabea und ich können uns kaum halten vor lachen. Plastikbecher… ne, das geht gar nicht. Aber wollt ihr aus der Flasche trinken? Zwei Kulturen prallen aufeinander. Sie schämen sich total mit der Flasche in der Hand durch die Straßen zu laufen. Aber egal, nach dem Bierkaufen machen wir uns weiter auf den Weg zum Campo Santa Margherita. Es gibt viel zu erzählen und zu lachen. Heute verstehen wir die beiden schon besser. Geduldig erklärt mir Ali sogar die Italienische Grammatik. Naja, er weiß ich mich gerade fühle. Er kennt auch „Achmed, the dead terrorist“ und lacht sich mit mir fast den Arsch ab. Ich dachte erst es könnte ein komisches Thema werden, aber die scheinen ganz locker damit umzugehen. Ich erfahre auch endlich warum sich beide Afghanen nennen, obwohl sie Afghanistan noch nie gesehen haben. Sie sind im Iran geboren als Kinder von afghanischen Flüchtlingen. Egal wie lange man im Iran lebt, man bekommt keine Staatsbürgerschaft. So waren sie immer die anderen. Mohammad erzählt, dass er mit 13 angefangen hat als Schneider zu arbeiten. 16 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche – der Druck war enorm. Er hätte das nur mit Opium ertragen. Tabea und ich sind völlig geschockt. Dieser kleine zerbrechliche Junge… Schlimm seien die Zustände da. Als Junge darf man noch immer nicht neben einem befreundeten Mädchen auf der Straße laufen. Drogen wären das schlimmste Problem. Wenn man 1 Gramm Crack kauft, bekommt man 2 Gramm Kokain kostenlos dazu. Viele fangen mit 13,14,15 an. Wir sind fassungslos. Wir trauen uns gar nicht zu fragen warum die beiden hier sind, aber die Familien noch da. Seine kleine Schwester hat er erst einmal gesehen erzählt er uns, während wir ein Video von ihr auf seinem Handy anschauen. Trotz der ernsten Themen gibt es auch immer wieder zu lachen. Wir machen auch noch einen kleinen Abstecher in die Bar, wo das letzte Mal Georgio mit seiner Band gespielt hat. Dort ist heute brasilianische Nacht. Dieses Mal haben sie in der Mitte freigeräumt und es sind nur wenig Leute da. Zwischen den vier Heizpilzen tanzen zwei kleine Mädchen in Sambakostümen herum, mit ihnen noch zwei hübsche junge Frauen in Bikini, Röckchen und High Heels. Wir sind keine Minute in dem Laden da packt mich eine der jungen Frauen an der Hand und zerrt mich und Tabea mit auf die Tanzfläche – ab geht’s. Zu zehnt stehen wir uns nun mit noch anderen Gästen gegenüber und versuchen nachzutanzen, was die zwei Tänzerinnen uns vorgeben. Natürlich ziemlich hüftbetont das Ganze. Der kleine ältere Herr neben mir gibt sein Möglichstes und freut sich mit uns Mädels tanzen zu können. Ali und Mohammad stehen grinsend in der Ecke, die zwei deutschen verrückten Hühner schon wieder. Von dort aus geht’s dann auf den Campo Santa Margherita. Irgendwann gegen 1 wird es kalt und wir machen uns auf den Weg zum Bus. Da steht auch einer, der bis zur Stazione in Mestre fährt. Super, sind ja nur 10 Minuten zu laufen von dort aus. Ali und Mohammad schauen uns geschockt an. Ihr wollt allein durch Marghera nach Hause laufen, wisst ihr denn nicht wie gefährlich das ist? Naja, in Berlin machen wir das immer so. Dann musst du wohl mitkommen Mohammad und uns nach Hause bringen. Er willigt ein ohne mit der Wimper zu zucken. Im Bus vertreiben wir uns die Zeit damit, ihm dabei zuzuschauen wir er unsere Namen und alle möglichen Wörter auf Persisch in mein kleines Büchlein schreibt. Süß, wie eine Blumenwiese sieht das aus. Auf dem Weg durch den eiskalten Bahnhof sehen wir viele Leute die zusammengekauert in den Ecken kampieren. Das sei verboten, hier in Italien und außerdem gefährlich. Auf dem Weg laden wir ihn auch zum Essen ein, schließlich haben wir noch Sauerkraut – yeah. Lustig ist das, da sitzen wir zwei Deutschen nachts halb drei in unserer Italienischen Küche mit einem afghan-iranischem Italiener und essen Sauerkraut mit Würstchen und Senf. Ihm schmeckt’s. Danach bedankt und verabschiedet er sich freundlich, er will uns schließlich nicht stören. Die Tür ist schon zu, da sagt Tabea: „Gott, lass den Jungen doch hier schlafen. Jenny ist doch in Berlin, ihr Zimmer ist frei. Da draußen ist es saukalt, komm.“ Stimmt. Nachdem ich ihn am Telefon überreden muss zurück zu kommen, räume ich mein Bett und ziehe zu Jenny. Gegen 10 Uhr morgens höre ich ihn aus der Wohnung schleichen, er wollte sich noch mit jemandem Treffen. Am Nachmittag sind wir nämlich schon wieder verabredet. Wir wollen uns Ali’s Nebenjob anschauen. Neben seinem Wirtschaftsstudium arbeitet er in einem Maskengeschäft. Viel zu spät trudeln wir auf dem Piazzale di Roma ein und laufen zum Vaporetto Stop. Von dort aus geht’s nach Guidecca, die südlichste Insel von Venedig Stadt.





Mohammad und Tabea
Im Maskengeschäft ist Ali allein mit seinem Chef, Maximiliano einem 27 jährigen Argentinier. Wir unterhalten uns eine Weile und probieren Masken an. Die Verlockung ist groß, wie auch die Preise. Ali winkt mich gleich hinter in die Werkstatt um mir alles zu zeigen. Schon gestern war nicht zu übersehen, dass der Junge einen Narren an mir gefressen hat. Tabea sagt er später sogar, dass er mich toll findet. Ich find’s merkwürdig. Dieser 22 jährige Afghan – Iraner hat doch eigentlich ein ganz anderes Frauenbild, wovon ich so ziemlich das komplette Gegenteil darstelle. Naja, vielleicht ist es gerade das. Nachdem Maxi und Ali den Laden abgeschlossen haben gehen wir in eine benachbarte Bar um dort stilecht Spritz zu trinken und Tramezzini zu essen. Das sind kleine Sandwiches aus weichem Toastbrot ohne Rinde mit einem Aufstrich, meißtens Tunfisch. Wir sitzen bestimmt eine Stunde in der Bar und erzählen aus Deutschland oder Maxi aus Argentinien. Draußen fahren in der Dämmerung mehrere Monsterkreuzfahrtschiffe vorbei. Zwischendurch kommt auch eine Gruppe Kinder in süßen Halloweenkostümen in den Laden.
Schau mal, da fährt ein Hochhaus vorbei! Schon komisch in einer Bar zu sitzen und nach dem Bürgersteig kommt ein Kreuzfahrtschiff...
Ali und Mohammad









Gegen 19.00 treten wir den Heimweg an, irgendwie sind wir noch geschlaucht von gestern und morgen sind wir Mädels eingeladen um mit in die Disko zu kommen.

Am Montag ist in Italien Feiertag, weshalb es viele Halloween Partys gibt. Unter Anderem auch eine in Padova, einer nahegelegenen Stadt. Auf dem Vaporetto genießen wir die Aussicht aufs nächtliche Venedig und lassen uns den Wind um die Ohren sausen. Es sind Wolken aufgezogen anhand deren Ali und Mohammed schon sagen können, dass es morgen regnet. Der Abend klingt ruhig aus am Küchentisch. Morgen, am Samstag, heißt es Kostüme basteln.

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