Dienstag, 26. Oktober 2010

Wo ist das verdammte Aqua Alta?

Der Montag beginnt grau und diesig. Die Nonnen, die ich immer treffe, grüßen mich bereits freundlich mit Bon Giorno. Die Stimmung im Atelier gleicht...
dem Wetter draußen. Stiven kommt und meckert herum, dass sein Tisch schon wieder besetzt sei. Er bräuchte den Platz viel dringender. Es wird laut gestritten, Marcia beschimpft ihn, dass er wie eine hysterische Frau wäre, die ihre Tage hätte. Nach 10 Minuten kehrt Ruhe ein und die Arbeit beginnt. Heute soll ich Marina, der Meisterin helfen, Lagen zu legen und zu zuschneiden. Juhu, welch eine ehrenvolle Aufgabe. Sie erinnert mich sehr an meine alte Meisterin, die ich so sehr mochte und auch ein wenig an mich. Ständig wird sie Sachen gefragt, muss ihre Arbeit unterbrechen und für alle mitdenken. Sie spricht viel mit mir, aber verstehen tu ich das Wenigste. Langsam wird’s peinlich, weil ich immer wieder nachfragen muss. Aber sie lacht und fragt ob es besser wäre, wenn sie deutsch lernen würde. Heute sind viele mit Gummistiefeln gekommen, denn es gab eine Hochwasserwarnung. Außerdem soll es stürmen und regnen. Schon kurz nach 10.00 fängt es immer wieder kurz an zu schütten. Ich kann’s kaum erwarten, wie ein Kind zu Weihnachten. Wann ist es denn endlich so weit? Vor der Mittagspause schleich ich mich raus in den Laden und schau zur Tür raus auf den Kanal. Hui, kurz vor der Kante. Ich habe sogar extra den Fotoapparat eingepackt, weil ich Jenny um ihr Foto beineide. Auf dem steht sie mutterseelenallein auf dem überschwemmten Markusplatz mit ihrem Schirm in dem 5 cm tiefen Teich, der sich das Land kurzzeitig erobert hat.
Mittags hoffe ich dann, dass ich nicht in den Supermarkt komme. Das hieße zwar das ich Hunger leide, aber wenigstens endlich mal ein Hochwasser miterlebt. Nix da, das Wasser geht langsam wieder zurück. Verdammt, wo ist das verdammte Aqua Alta?
Georgio sagt mir beim Mittagessen auf gebrochenem Englisch, das ich gut tanzen kann. Ich kichere und antworte in gebrochenem Italienisch, dass er cool Bass gespielt hat. Am Nachmittag sind Marina und ich fertig mit Legen und ich fange an zu nähen. Die obligatorische Stivendiskussion flammt noch einmal auf, aber der Tag endet in Frieden.
Heute mach ich es endlich und fahre mit dem Vaporetto heim. Ich laufe einfach los und denke, du wirst die Haltestelle schon finden. Es ist mystisch. Auf meinem Weg zur Haltestelle laufe ich einsame Gassen im Nieselregen entlang. Der heftige Wind pfeift mir immer wieder die Kapuze vom Kopf, und klappert mit den hölzernen Fensterläden der kleinen Häusschen. Es ist fast schon dunkel und die kleinen Laternchen schaukeln unruhig umher. Ich stell mir vor, wie es wäre wenn mir jetzt samtbemantelte Gestalten mit großen Kapuzen entgegenkämen. So wie es vor Jahrhunderten war. Venedig hat in der Dämmerung spürbar mehr Charme, so kommt der wahre Charakter viel intensiver zur Geltung. Auf dem Vaporetto stehe ich dicht an dicht mit Angestellten, Indern, Franzosen und deutschen Multifunktionsjacken. Der Wellengang ist heftig aber ich hab den Dreh langsam raus. Mittlerweile regnet es stark und ich rette mich zum Bus. Die Fahrt über die Ponte della Libertà ist spannend. Wind und Wasser peitschen gegen den Bus, draußen teilen sich Himmel, Horizont und Lagune die gleiche Farbe.
Zuhause dann wieder das gemütliche Essen zu viert. Jenny hat gekocht. Auflauf mit Gemüse, Putenfleisch und Polenta. Das ist puddingartiger Maisgries. Nicht jedermanns Geschmack aber in der Kombi, sehr lecker. Danach mache ich mich auf um die Designschule in Marghera zu finden, die ich am Vorabend gegoogelt hatte. Dort möchte ich meinen Aushang für einen Tandempartner machen. Auch auf die Gefahr hin, dass dort alles dicht gemacht ist, laufe ich los. Es regnet zwar nicht mehr, aber der Sturm ist noch im vollen Gange. Dick eingepackt laufe ich zügig durch die vereinsamten Straßen von Marghera, Stadt der Kreisverkehre. Auf meiner einstündigen Rundreise kommen mir gerade 2 Menschen entgegen. Alles ist dicht gemacht. Die Schule finde ich nicht, wie so oft, wenn man etwas sucht in Italien. Aber sei es drum, italienische Vorstadtidylle hat auch ihren Charme.
Dormi bene, Maxi

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