Dienstag, 26. Oktober 2010

Settimana 3 - Was für ein Arzt sind Sie denn?

Montags wache ich auf und merke es schon. Ich beginne zu kränkeln. Trotzdem gehe ich pflichtbewusst auf Arbeit. Dort wartet Stiven bereits...
auf mich. Laut verkündet er am Vormittag Hilfe zu brauchen und… ach ja, da ist sie ja: “Maxi, ich habe eine Aufgabe für dich“. Denn, und das erfahre ich erst später, „ich arbeite nur noch mit Maxi oder Omar (einem anderen Praktikanten) zusammen. Die haben wenigstens Ahnung“ und blinzelt dabei arrogant in die Richtung von Ali und Mohammed. Stilles Kopfschütteln auf allen Seiten. Neulich hat mir Claudia, die Münchnerin, erzählt, dass sie Stiven einen bitterbösen Streich gespielt haben. Am Samstag bevor ich kam, hatte er Geburtstag. Da ließ es sich die gesamte Belegschaft nicht nehmen ihm schon am Donnerstag davor, über die Lautsprecheranlage und auch persönlich herzlichst zu gratulieren. Wie geil, ich liebe den Italienischen Humor. Er dagegen fand es wohl gar nicht witzig. Nur zähneknirschend hat er Eis spendiert.
Ich soll seine Gradierung beenden. Gradierung nennt man das Erstellen der verschiedenen Größen wie S,M,L,XL. Am PC hab ich das schon mal gemacht, aber per Hand… Hui, cool. Er legt mir seine angefangene Arbeit hin und erklärt mir kurz worum es geht. Eine Herrenjacke mit 5 Schnittteilen. Einiges ist schon gemacht ich brauche nur noch vervollständigen und nachher auf Transparentpapier jede Größe durchkopieren. Eine längerfristige Beschäftigung auf die ich mich freue. Gegen Nachmittag bin ich fertig und prompt bekommt Ali sein Fett weg. „Siehst du Ali, wie schnell die Maxi ist.“ Ich tu so als verstehe ich das nicht, Ali verdreht nur die Augen. Schon am Vormittag hatte er sich mit ihm angelegt und schnippig erzählt: „Du Ali, die Linda (Praktikantin aus dem Erdgeschoss) hat mir einen Kuchen gebacken. Na? Bist du neidisch?“ Ali, zieht die Stirn in Falten und fragt genervt, was ihn das interessieren würde. Ich muss kichern. Danach ist Marina dran, auch sie muss sich nach dem Neid fragen lassen. Alle atmen tief durch und arbeiten weiter als wäre nichts gewesen. Beim Mittagessen erfahre ich, dass Linda den Kuchen gebacken hat, weil Stiven ihr bei einem Uniprojekt hilft. Außerdem wird mir noch hinter vorgehaltener Hand erzählt, dass Stiven ständig Anspielungen macht, dass er Marina heiraten will und ähnliches. Ich schaue etwas verdutzt und merke an, dass Stiven doch offensichtlich schwul sei. Ich bekomme eine eindeutige Antwort mit Grinsen: esato (genau/korrekt). Nunja, nicht das erste Mal, dass ich mich über den Umgang mit Homosexualität wundern muss. Stefano, der Chef, hat einige eindeutige Anwandlungen, ist aber verheiratet und Vater einer Tochter. Auch als ich darüber mit den Praktikantinnen tuschele, bekomme ich nur ein Schulterzucken mit verlegenem Grinsen. So sei das halt hier.
Nach der Mittagspause husche ich noch schnell in die nächste Apotheke und erkläre dem Apotheker sogar auf Italienisch, dass ich Paracetamol gegen Halsschmerzen brauche. Juhu, er versteht mich – tolles Gefühl!
Je später der Tag, desto mehr macht sich die heran nahende Erkältung bemerkbar. Am nächsten Morgen beschließe ich lieber liegen zu bleiben, was sich als weise Entscheidung entpuppt. Ich verbringe den Tag damit zu schlafen und zu essen. Wirklich! Auch der nächste Tag entwickelt sich in diese Richtung, nur das ich Nachmittags von Antonio, dem Co.Ge.S Chef mitgeteilt bekomme, dass ich zum Arzt gehen soll. Na prima. Ich schäl mich aus meinem Schlafanzug, dusche und google den nächsten Arzt. Gar nicht so weit weg. Dort angekommen setz ich mich ins Wartezimmer nachdem ich eine Nummer gezogen habe. Die zieht man übrigens nicht nur beim Arzt, sondern auch in der Fleischerei oder am Fischstand im Supermarkt. Etwas absurd, aber anscheinend nötig. Mit mir warten noch 7 andere Personen in dem Vorzimmer. Ein großes Schaufenster zeigt zur Straße hin, die man durch die alte Jalousie teilweise sieht. Die Wände sind gesäumt von uralten blauverfärbten Postern und Bildern. Totenstille im Raum, der außer dem Eingang nur eine braune Holztüre besitzt. Schon nach dem zweiten Patienten wundere ich mich. Erstens weil es so lange dauert (ca. 20 Minuten pro Person) und das es anscheinend keine Sprechstundenhilfe gibt. Meine Befürchtung wird nach spätestens zwei Stunden warten bestätigt. Als ich zur Doktorin herein gehe, gibt es nur dieses eine quadratische Zimmer, ca. 25 qm. Auf der einen Seite steht eine Liege, gegenüber ein alter Holzschreibtisch. Rundherum Regale mit scheinbar wahllos hineingeworfenen Medikamentenschachteln. Über ihrem Kopf thront ein Wasserboiler, hinter ihr das Waschbecken. Sie ist heiser, kann kaum sprechen. Ich erkläre ihr, dass ich deutsch sei und ein Attest bräuchte. Das Vokabular habe ich mir in den zwei Stunden Wartezeit zu Recht gelegt. Dann schiebe ich ihr meine Versicherungskarte entgegen. Sie schaut mich und die Karte verdutzt an, gibt sie mir zurück und fragt mich nach etwas was ich nicht verstehe. Sie versucht zu erklären, aber bei mir kommt nur Bahnhof an. Die kleine Dame mit dunklen krausen Locken geht zu ihrem Portemonnaie und kramt einen Pass heraus, der aussieht wie unser Impfpass. Tja, so was habe ich nicht. Sie zuckt mit den Schultern und sagt, sie könne mir nicht helfen. Man, ich platze gleich. Mir geht’s kacke, ich will schlafen und hab zwei Stunden hier rumgegammelt. Freundlich versuche ich ihr meine Situation begreiflich zu machen, sodass sie sich letztendlich überreden lässt mir wenigstens einen Zettel auszustellen auf dem steht, dass ich heute und gestern nicht auf Arbeit sein konnte. Prima, völlig entnervt gehe ich zurück nach Hause – Schlafen! Gegen Abend geht’s mir dann schon besser, sodass ich am Donnerstag wieder auf Arbeit gehe. Ist ja nur ein halber Tag, denn ab 16.00 heißt es dann wieder Meeting mit Co.Ge.S. Zudem war noch geplant gemeinsam mit der Gruppe und Antonio ein Abendessen zu machen bei uns Mädels in der WG. Wir können es uns schon denken und werden nicht enttäuscht. Antonio sagt reumütig ab und verschiebt auf nächsten Donnerstag. Nunja, der Rest des Meetings zieht sich wieder etwas. Jeder soll von seiner Arbeit erzählen, was an sich kein Problem wäre, könnte Antonio Deutsch oder wenigstens flüssiges Englisch. Aber so stolpern wir uns und er von Satz zu Satz, ohne die meisten Dinge auf den Punkt zu bringen. Lachen tun wir trotzdessen viel, diese Italiener sind einfach witzig. Auf dem nach Hause Weg beschließen wir trotzdem zu Kochen und haben noch einen coolen Abend mit unseren Jungs bei Salat, Pasta, Gemüseauflauf, Jennys Tiramisu und Spritz. Danach heißt es alsbald schlafen gehen für mich.
Freitag bin ich wieder etwas mutiger geworden mit der Sprache und frage Mohammed, der in der Nähe in Mestre wohnt, ob er DVD’s zu Hause hätte. Ich wolle Filme auf Italienisch mit Untertiteln schauen. Jaja, er kramt mal in seiner alten Wohnung in Venedig und bringt mir am Montag welche mit. In der Nachmittagspause fragt er dann noch Claudia, Evi und mich ob wir nicht Lust hätten heute Abend mit auf ein Konzert von unserem Arbeitskollegen Georgio zu kommen. Der spielt Bassgitarre in einer Reagge Band. Klar, warum nicht. Kaum bin ich zu Hause angekommen und habe erzählt, wollen auch schon alle mit. Also machen wir Mädels und Lance, ein Kumpel von Tabea, uns auf den Weg nach Venedig auf den berühmten Platz „Campo Santa Margherita“. Der ist unter Studenten sehr beliebt, weil es viele Bars mit günstigen Preisen gibt. Als wir dort halbwegs pünktlich ankommen ist es auch schon sehr voll. Vor vielen Kneipen stehen haufenweise junge Leute und unterhalten sich angeregt. Nette junge Leute sind das. Ich gehe an einigen vorbei weil ich die Mädels und Mohammed suche. Letzterer kommt direkt nach uns an und muss sich nun von mir zu meiner Truppe Hühner gesellen. Ein bisschen schüchtern ist der neunzehnjährige unter den vielen Deutschen Mädchen. Er hat mir auch schon DVD’s mitgebracht. Beim Durchsehen werde ich stutzig. Die gebrannten CD’s sind allesamt mit Punkten und Strichen beschriftet. Hä? Das sei Persisch, seine Sprache. Wie jetzt, soll ich Filme auf Persisch gucken? Die sind alle Englisch. Nungut, haben wir uns wohl etwas missverstanden, aber egal. Ich nehm’s mit einem Lachen. Mit zwanzig minütiger Verspätung kommen Claudia und Evi. Die beiden begrüßen meine Mädels vor und machen etwas small talk. Mohammed nimmt mich zur Seite und fragt mich verwundert, ob es in Deutschland nicht üblich sei sich vorzustellen. Hm, da muss ich grübeln. Ich versteh schon wie er das meint. Hier ist es nämlich normal sich als erstes mit dem Namen vorzustellen, die Hand zu reichen und dann „piacere“ (erfreut) zu sagen. Selbst unter Jugendlichen. Naja, wir sind halt etwas anders. Nachdem noch zwei Freunde von Mohammed gekommen sind kann es losgehen. Ein paar Gassen und Brücken weiter kommen wir zu einem überdachten Campo aus dem schon Musik hervorschallt. Die Überdachung gehört mit zu einem Restaurant und ist wie eine Art Biergarten hergerichtet. Georgio spielt schon mit seiner 4 köpfigen Band. Es sitzen ca. 20 Leute und hören zu. Wir setzen uns und bestellen Spritz. Schon nach kurzer Zeit hält Evi nichts mehr auf dem Stuhl und sie stellt sich zwischen die Tische um ausgelassen zu tanzen. Irgendwann geselle auch ich mich dazu und zum Schluss tanzt unsere ganze Gruppe. Die Band freut sich sichtlich über unsere Feierlaune und die Zuschauer finden es lustig. In meinem Übermut zettel ich eine Polonaise an und siehe da, einige Rumstehende machen sogar mit. So sind wir zum Schluss fast 30 Leute.



Mohammed und Claudia

Madlen und ich
Tabea und Jenny
and so we started to dance...
Georgio auf der Bühne an der Bassgitarre
Hier unsere lustige Tanztrupppe. Ich mit Claudia, Evi, Jenny, Tabea, weiß ich nicht und Ali, beides Freunde von Mohammed
Gegen Mitternacht ist dann Ende und wir machen uns auf dem Heimweg. Lange gehen die Nächte in Venedig nämlich nicht. Auf dem Campo Santa Margherita löst sich langsam alles auf und wir Walz Mädels treten mit Mohammed die Reise aufs Festland an. Das war ein wirklich lustiger Abend und das obwohl ich nicht einmal Reagge mag ;o)
Das Wochenende gestaltet sich eher trist. Das Wetter draußen ist nicht gerade sehr schön, es gab Gewitterwarnungen und der kalte Wind pfeift durch die Straßen. Mit Jenny fahre ich Samstag Nachmittag einkaufen in einen Industriepark. Dort gibt es OBI, Outletstores und eine riesige Shoppingmall mit so etwas wie einem Kaufland. Dort drinnen ist es super voll und es gibt wieder viele Sachen zu entdecken. Ich liebe ausländische Supermärkte.
Es ist Schonung angesagt, da ich immer noch verschnupft bin. Sonntag sitzen wir Mädels lange beisammen, kochen, quatschen und machen uns die Nägel. Draußen ist es immer noch eklig. Ich schaue einen von Mohammeds Filmen und recherchiere im Internet nach Sprach- und Designschulen, weil ich endlich den Aushang machen möchte. Verdammt, ich will endlich diese Sprache sprechen.

4 Kommentare:

  1. da wäre ich ja auch mitgekommen!!!!!!

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  2. Ou Mann... wann schreibst du das eigentlich alles? Ich komm ja nicht mehr hinterher mit lesen...

    Und was war nochmal "Spritz"?
    Liest sich alles wie'n Buch übrigens, sollteste mal in Erwägung ziehen! :)

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  3. Hoi Mark,
    hehe, ich nehm mir schon Zeit zum Schreiben. So weiß ich in nem Jahr immer noch was passiert ist. Spritz ist ein Apperetiv den man vor dem Essen trinkt. Gewöhnlicher Weise besteht er aus Aperol und Sekt mit ner Orangenscheibe. Äußerst süffig ;o).
    Schreib mal bitte was, dass ich weiß, ob diese Antwort bei dir ankommt.
    grazie,

    maxi

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  4. "Was" -- ja kam an. Nicht bei mir, geht ja nicht, aber auf der Seite halt ;-)

    Dann warte ich mal auf die nächsten Stories... seeehr "lesbar" wie gesagt!

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