Freitag, 16. Dezember 2011

Der Wasserhahn braucht nur ein Ventil

Alptraeume hatten mich geplagt. Ich wuerde den Flieger verpassen, Sachen vergessen,... ich war nervoes. Nervoeser als sonst. Ich flog ins Ungewisse. Palmen, Jungel, Sommersonne schoen und gut, aber der Rest. Wer lebt da? Was essen die? Wie ziehen die sich an? Wie sprechen die?... ich hatte nicht den blassesten Schimmer.

Alle wuenschten mir Spass und vorallem eine sichere Reise. Marilyn erlebte das gleiche mit ihren Kollegen, worueber sie nur den Kopf schuetteln konnte :"Man, ich fahr nicht in den Buergerkrieg, ich fahr nur nach Hause". Nunja, fuer uns Europaeer ist es so ein exotisches Ziel schon ein wenig unheimlich.
Am Dienstag, den 13.Dezember stieg ich nun in die Easyjet Maschine und machte mich auf den Weg zu Marilyn. Es war der entspannteste Flug, den ich je hatte und so landete ich zufrieden in Amsterdam. Recht schnell bemerkte ich, dass ich in einem anderen Land bin. Eine Dame am Gepaeckband machte mir ein Kompliment fuer meinen tollen Pelzmantel. In Berlin muss ich damit aufpassen, ich wurde schon beschmimpft.
Marilyn holte mich von einer nahegelegenen Zughaltestelle ab und fuehrte mich in ihr neues Heim. Nun wohnt sie endlich, nach Jahren der Suche, mit ihrem Bruder in einer eigenen Wohnung. Es ist ein verschachteltes , modernes Appartment mit zwei Etagen und einem Gartenstueck. Es liegt in einer neueren Mehrfamilienhaussiedlung am Stadtrand. Der Abend verfliegt beim Essen und Sachen packen. Am naechsten Morgen ist die Aufregung gross, puenktlich starten wir zum Flughafen und checken ein. Dann noch 3 Stunden warten und los gehts. Es ist eine grosse Maschine und drinnen laeuft Weinhachtsmusik. Die sich auf surinamesisch irgendwie mexikanisch anhoert. "walking in a winter wonderland" mit schnellen Rumbabeats und Posaunenquartett - irre. Mit an Bort sind fast ausschliesslich Suedamerikaner, die sich teilweise schon umgezogen haben. Riemschenschuhe, Tops, Kleider, knappe Shirts. Ich komm mir ziemlich blass vor und meine Gedanke kreisen waehrend der neun Stunden Flugzeit unter anderem darum, wie ich diese fellgefuetterten Stiefel am schnellsten loswerde. Als wir ankommen ist es bereits gegen 10 Uhr abends und stockfinster. Beim Austeigen aus dem Flugzeug trifft es mich tatsaechlich wie ein Hammer. Das wurde mir schon prophezeit. Die Temperatur spielt auch ein Rolle aber es ist mehr die Luftfeuchte. Marilyns Eltern warten schon und empfangen uns herzlich. Mit dem Taxi geht es ca. 40 min zum Haus in Paramaribo Stadt. In der Dunkelheit sehe ich ein paar Haeuser am Strassenrand und die hohen Wipfel der Palmen. Meine Begeisterung loest kichern aus. Die Haeuser sind meistens zweietagig, wobei das Erdgeschoss meistens Garage und Treppenaufgang ist. Wie eine Art Stelzenhaus aus Stein. Man sieht den Einfluss neiderlaendischer Architektur.
Zu Hause gibt es Essen vom Chinesen nach einem Tischgebet. Wer sich jetzt 2,50 Euro Nudeln vom "Ding Dong Schnellimbiss" am Kottbusser Tor vorstellt, der irrt. Wie ich schon vorher gelesen hatte, setzt sich der Grossteil der Bevoelkerung aus Einwanderern zusammen. Inder, Chinesen, Libanesen, Afrikaner und andere Suedamerikaner. Marilyn erklaert mir, dass die jeweiligen Kuechen der einzelnen Kulturen hier am unverfaelschesten sind. In Europa, wird vieles dem Geschmack des jeweiligen Landes angepasst und so kommt es, dass ich rote suesse Knackwurst mit gebratenen Nudeln und unaussprechlichen Kraeutern esse. Mittlerweile ist es nachts um ein Uhr und in mir schon fuenf Uhr - ich muss schlafen. Ich schlafe in dem alten Kinderzimmer von Marilyns Bruder. Ich merke wie mein Koerper pummt, es ist schwer bei solchen Temperaturen einzuschlafen.
Geweckt werde ich durch Vogelgezwitscher. Aber nicht von einem Spatz oder einer Taube. Mehr so eine Art Vogelhaus a la Wilhelma in Stuttgart.Es ist leicht bedeckt aber schon warm. Zu erst will ich duschen und muss feststellen, das der Wasserhahn nur ein Ventil hat. Naemlich das fuer kaltes Wasser. Was soll's, Augen zu und durch, denk ich mir und muss feststellen, dass 24Grad warmes Wasser eine echte Offenbarung ist. Dann gibt es ein Fruehstueck mit der Familie. Das ist ziemlich hollaendisch. Toast mit Kaese oder Suessem. Untereinander sprechen sie niederlaendisch, die offizielle Landessprache Surinams.
Nach dem Fruehstueck machen Marilyn und ich uns auf den Weg zu den Geschaeften auf der kleinen Einkausstrasse des Stadtteils. Dort suchen wir nach Waschlappen, eines der kleinen Geschenke, die wir in die Stoffbeutel packen wollen. Alles andere haben wir vorher schon aus Amsterdam oder Berlin mitgebracht. Gegen 10.00 Uhr ist es schon recht warm und feucht, spaeter wird es fast unertraeglich. Die Sonne brezelt, doch der stete Wind sorgt fuer ein wenig Abkuehlung. Wir wandern die Strasse hinauf und gehen dann noch in die Shopping Mall. Die ist im Erdgeschoss eines grossen Buerogebaeudes. Es sind noch nicht alle Geschaefte geoeffnet, umso merkwuerdiger ist es, dass es vor einem eine Schlange gibt. Mehrere Frauen stehen dicht an dicht vor der Tuer. Ein Schuhgeschaeft feiert seinen Geburtstag und vergibt einen Rabatt auf das ganze Sortiment. Es ist voll, deswegen werden nur stossweise Kunden hineingelassen. Wenn man sich die Menge an anderen Schuhgeschaeften in der Mall ansieht, ist das schon komisch. Da kann man schnell mal in einen Kaufrausch verfallen. Vor allem bei den High Heels. Auch Kleider, Tops, etc. Den Preis kann ich noch nicht genau einschaetzen, es handelt sich um Surinamesische Dollar. Die hiesigen Geschaefte haben einen grossen Vorteil - sie haben keine Saisonware. Jahreszeiten gibts nicht am Aequator.
Die Geschaefte ausserhalb der Mall erinnern mich ein wenig an China Town. Grosse Hallen, enge Gaenge, manchmal mit Klimaanlage, manchmal ohne. Die meisten Waren kommen aus Fernost.
Auf unserer ersten Tour gibt es fuer mich viel zu staunen. Was fuer Baeume sind das? Wie heisst diese Frucht? Wieso warten so viele Leute dort drueben und auf was? Unteranderem entsteht auch das Foto mit der Plame vom Kopf des Blogs. Das ist eine Kokospalme am Strassenrand neben dem Supermarkt.
Es ist ziemlich schwierig die Geschehnisse hier auf den Punkt zu bringen. Anders als in NYC oder Venedig gibt es so viele Dinge, die ich nicht kenne oder einfach ungewohnt sind.
Zum Beispiel:
- der Linksverkehr
- es gibt nur begrenzt Buergersteige
- das ich meistens die einzige Weisse bin
- Fenster sind bis unters Dach vergittert und alles hat Vorhaengeschloesser
- bei der Weihnachtsdekoration lassen sich Einige nicht lumpen - es leuchtet und blinkt an vielen Ecken
- den Plastiktannenbaum, den ich mit Marilyn im Wohnzimmer aufgebaut habe, haben auch viele auf den Terassen stehen und ja, auch hier gibt es richtige Tannenbaeume (in Mini :o))
- viele Haeuser haben Loecher in den Waenden - mit Absicht. Die Bausteine in Lamellenoptik gewaehren Luftdurchzug
- Elektrizitaet scheint guenstig zu sein, meistens brennt das Licht in jedem Zimmer. Auch wenn man eben mal eine Stunde einkaufen geht
- viele verstehen nicht, dass ich sie nicht verstehe, da ich niederlaendisch aussehen wuerde
- Muelltonnen gibt es nicht, stattdessen legt man seinen Muellbeutel in ein Gitterkorb der auf einer Eisenstange aus dem Boden vor jedem Haus ragt
- Mangos wachsen an grossen unscheinbaren Baeumen und haengen an langen Stielen herab
- Schaufensterpuppen haben riesige Aersche und ja, ich meine Aersche. Es ist dieser Typ brasilianischer Sambataenzerinnenhintern, der wie 2 halbe Fussbaelle senkrecht aus dem Steissbeinende ragt
- alles wird in Plastiktueten gesteckt - alles! In einer Baeckerei wurden uns 5 Stueck Kuchen in je einer kleinen Plastiktuete mitgegeben

Das Highlight gestern war auch jeden Fall der Besuch der zentralen Markthalle. Ziel war es Geld umzutauschen, von Euro in surinamesische Dollar. Anscheind schwankt der Kurs staerker als zum Beispiel der von Euro und Pfund oder US Dollar. Deshalb hat uns Marilyns Onkel Hilfe angeboten. Mit Mutti und Pappi gehts gegen Mittag mit dem Auto in die Stadt. Dort treffen wir in der Naehe der Markthalle auf den Onkel. Ein hagerer verschmitzter Mann, der mit ein paar Freunden am Strassenrand plauscht. Dann soll es los gehen. Ich bin verwirrt, soll ich mit Mutti warten oder mitkommen? Onkel sagt ja, Marilyn und Mutti meinen ich wuerde den Kurs druecken. Touristen bietet man hier immer einen schlechteren Kurs an, also auf dem Schwarzmarkt als auch in Wechselstuben. Schlussendlich ziehen wir zusammen los und bahnen uns den Weg durch die Markthalle direkt am Fusse des Surinamriver. Kurz vor dem Geschaeft warte ich dann mit den Eltern. Marilyn erzaehlt mir spaeter, dass der Wechsel in einem chinesischem Schuhgeschaeft von Statten ging. Dann will mir Mariyns Vater noch was zeigen und fuehrt uns durch den Markt an den Pier. Dort zeigt er auf eine Rostklotz im Wasser. Ein deutsches Kriegschiff aus dem zweiten Weltkrieg, sei damals hier gekentert und inzwei gebrochen. Seitdem liegt es da auf Grund. Als kleiner Junge sei er mit seinen Freunden immer dort hingeschwommen und habe darauf gespielt. Nicht nur die Tatsache das dieses auseinandergefallen Schiff mit dem Arsch nach oben aus dem Wasser guckt beruehrt mich peinlich. Sondern auch die Tatsache, dass der Groessenwahn tatsaechlich so weit reichte um zu glauben, man koennte Suedamerika einnehmen. Ich schaeme mich stellvertretend fuer eine vergangene Generation.
Auf dem Markt muss ich feststellen, dass mein Wissen ueber Kraeuter, Gemuese und Obst sehr begrenzt ist. Es gibt mehr als zwei Sorten Mango auf diesem Planeten, Kirschen koennen auch wie Miniaturfleischtomaten aussehen und Bohnen ca. einen halben Meter lang sein.

Mein Highlight heute war der Besuch eines Badestrandes im Landesinneren. Der "Whitebeach" ist ein beliebtes Ziel der Einwohner und gleicht dem Paradies. Also meinem Paradies. Weisser Sand, warmes Wasser und Palmen. Zum Glueck war nicht allzuviel los. Dort hin kamen wir mit der Familie von Bradley. Er war ein ehemaliger Schueler von Marilyns Mutter und hatt sich als nicht adoptierter Sohn mit ihn die Familie intergriert. Er nennt sich scherzhaft "der Erstgeborene". Mit seiner Frau, der zuckersuessen Tochter Kathy und deren Quosine geht es vormittags elf Uhr los. Ueber eine Stunde brauchen wir auf dem Weg dorthin und haben zwei Esspausen auf dem Plan. Hier wird viel und vorallem reichhaltig gegessen. Der erste Stopp ist ein Haehnchenhaus und spaeter ein Imbissstand. Dort gibt es libanesische Pfandkuchen.
Was soll ich gross erzaehlen, das Video sagt alles :o)

Da die Internetverbindung etwas langsamer ist, lade ichalle Bilder in einem zweiten Post hoch.

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